Indirektes Stillen – mit abgepumpter Muttermilch füttern

Elisabeths Sohn Jan kam vier Wochen zu früh per Kaiserschnitt zur Welt. Es ging ihm soweit gut und er trank im Aufwachraum bereits an der Brust. Später auf der Station bekam Elisabeth allerdings den Rat, Jan nicht mehr anzulegen, sondern ihre Milch abzupumpen und mit der Flasche zu füttern, da er noch zu schwach sei, um ausschließlich an der Brust zu saugen. Bei der Entlassung hatten beide somit fast keine Erfahrungen mit direktem Stillen sammeln können, was das Stillen zu Hause schwierig gestaltete.

Zum Glück wurde Elisabeth zu Hause von einer Nachsorgehebamme betreut, die beide regelmäßig besucht und beim Stillen unterstützt hat. Des Weiteren suchte Elisabeth auch Rat bei unserer Baby Hotline, wodurch ich mit ihr in Kontakt kam. Das direkte Stillen war nach wie vor problematisch, da es nie ganz schmerzfrei war, trotz der Anwendung diverser Cremes und dem Ausprobieren von verschiedenen Stillpositionen. Elisabeth hat eine sehr helle und empfindliche Haut, was ihrer Meinung auch zu ihren Schwierigkeiten beigetragen hat. Daher hat sie 1-2 Mal am Tag abgepumpt, um ihren Brüsten ab und zu eine Pause zu gönnen. Nach einiger Zeit trat auch eine Besserung ein, da ihre Haut sich langsam an das Stillen gewöhnt hatte.

Nach etwa einem Monat rief sie mich wieder an. Sie berichtete, dass Jan die Brust nicht mehr richtig in den Mund nehmen würde, was vielleicht darauf zurückzuführen war, dass der Kleine sich immer wieder ins Hohlkreuz drückte und die Mamille nicht richtig im Mund behalten konnte.

Das Stillen wurde wieder immer mehr zu einer unbequemen und schmerzhaften Angelegenheit und Jan wurde immer quengeliger und ungeduldiger beim Anlegen. So hat Elisabeth nach zwei weiteren Wochen immer öfter abgepumpt und Jan mit der Flasche gefüttert, so dass sie nach und nach gar nicht mehr direkt an der Brust gestillt hat. Da sie Jan weiterhin ihre Milch geben wollte, war für Elisabeth die einzige Alternative, abzupumpen und Muttermilch mit der Flasche zu füttern.

Die erste Zeit fand sie es schwierig herauszufinden wieviel Milch Jan benötigte und hat zeitweise zu viel abgepumpt. Dies machte sich bei ihr auch durch einen schnellen und bedeutenden Gewichtverlust bemerkbar. Dennoch hat Elisabeth durchgehalten bis Jan ungefähr 7,5 Monate alt war. Zu diesem Zeitpunkt hat sie angefangen ihn abzustillen.

  • Obwohl es nicht das Wunschszenario war, war Elisabeth doch froh diese Lösung für sich und ihren Sohn gefunden zu haben. Im Nachhinein sieht sie auch einige Vorteile des “indirekten” Stillens:
  • Die Mutter hat das Regeln ihrer Milchproduktion selbst in der Hand
  • Der Partner kann sich aktiv beim Füttern des Babys beteiligen
  • Die Frau sieht wie viel ihr Kind trinkt
  • Der “Überschuss” der abgepumpten Milch kann eingefroren werden und später bei der Beikost oder als Badezusatz verwendet werden
  • Einen eventuellen Milchstau hat “Mama” sofort wieder im Griff
  • Auch das Abpumpen trägt, ebenso wie das direkte Stillen, dazu bei die überschüssigen Schwangerschaftspfunde in den Griff zu bekommen
  • Abgepumpte Muttermilch kann länger ungekühlt bleiben als Formulanahrung
  • Der Pump-Rhythmus muss nicht unbedingt dem Trink-Rhythmus des Kindes entsprechen.

Mit der Zeit hat Elisabeth die Beobachtung gemacht, dass Jan nach dem Trinken noch nach Wasser verlangt hat, was bei Stillkindern normalerweise nicht der Fall ist, da diese ja zuerst die wässrige Vormilch gegen den Durst trinken. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass sich beim Abpumpen die wässrige und die fetthaltige Hintermilch vermischen und Jan somit nicht die Möglichkeit hatte, nur seinen Durst zu stillen, sondern immer gleich das ganze reichhaltige “Programm” bekam. Als nicht so praktisch hat sie das “Mitschleppen” des Materials empfunden, wenn sie mal länger außer Haus war. Und als Elisabeth es einmal vergessen hatte, musste sie die Milch mit der Hand ausstreichen, was relativ viel Zeit in Anspruch genommen hatte.

Dennoch war das Abpumpen für Elisabeth eine gute Möglichkeit, ihrem Kind die Vorteile der Muttermilch so lange wie möglich zu bieten.

Ute Rock
Laktationsberaterin IBCLC und Mitarbeiterin der IL

Ein Artikel, der in der Elternzeitschrift „baby info“ veröffentlicht wurde (nr 2/2017)