„NEIN“- Sinnvoll oder kontraproduktiv?

In manchen Büchern ist nachzulesen, dass Eltern nicht gerne Nein sagen, bzw. das Wort seltener benutzen möchten. Dafür werden Gründe angeführt, die aus der Sicht der Eltern auch ganz einleuchtend erscheinen: Sie möchten sich durch das Neinsagen nicht beim Kind unbeliebt machen. Ertragen wir als Eltern also nicht, wenn die Kinder uns gegenüber eine momentane Unzufriedenheit zeigen? Oder sogar eine trotzige Reaktion oder einen Wutanfall? Das ist manchmal schwer anzunehmen. Vielleicht ist es so schwer zu ertragen, dass einige Eltern dann lieber eher Ja oder Jein sagen?
Was ist, kann oder sollte daran nun besser sein? Eigentlich meine ich Nein und sage Ja, weil ich Angst habe, dass die Beziehung unter einem Nein leiden würde? Ein Jein und das Kind erhält eigentlich keine Mitteilung von uns, was wir nun von ihm wünschen und wollen? Wenn ich wirklich etwas nicht möchte, könnte ich doch ganz natürlich Nein sagen. Dabei müssen Eltern dieses Wort ja nicht unfreundlich aussprechen, eine klare Formulierung hilft da vielleicht schon? Ein Teil meiner Erfahrungen, meiner Beobachtungen und dem, was ich in dem Wort sehe und miterlebe, würde ich hier gerne mit anderen Eltern teilen.

Für Eltern ist das erste Lebensjahr sehr spannend und Kinder machen so viele schöne Dinge. In dem Moment denken wir meist nicht an das zweite Lebensjahr, bzw. vielleicht auch nicht an den schon nahenden 9. Monat? Zu der Zeit wird das Kind mobiler und an einem Beispiel möchte ich verdeutlichen, welche anderen sprachlichen Methoden außer dem Wort Nein es noch gibt, die trotzdem eine klare Botschaft hinterlassen.

Am Beispiel von Steckdosen möchte ich einige Kommunikationsvorschläge machen. Leider sind diese elektrischen Dosen nicht auf Hüfthöhe des Erwachsenen angebracht. Für den erwachsenen Menschen wären sie dann einfacher zu erreichen und für die Kleinkinder wäre die Umgebung sicherer. Krabbelkinder gehen gerne auf Expedition und folgen ihrem natürlichen Forschungsdrang. Mit den Fingern können sie in diese wunderschönen, verlockenden Löcher der Steckdosen bohren. Es sei denn, ich habe als Eltern einen Raum für die Kinder vorbereitet, indem sie sich sicher bewegen können und diese Löcher nicht vorzufinden sind. Ansonsten gehen die Finger der Säuglinge schon gerne dorthin, um die Löcher zu untersuchen. Häufig und verständlicherweise ist dann oft das Wort“ Nein“ zu hören. Ob das Kind die Bedeutung des Wortes schon kennt? Dieses Wort in dem Zusammenhang kennenlernt und dadurch dann weiß, dass es nicht mit den Fingern in die Steckdose darf? Durch eine stetige Wiederholung lernt es das Wort kennen und der Blick dabei sieht ja nicht immer so freundlich aus, wenn wir Nein sagen. Vielleicht lernt es ja doch davon?

Welche Verbindung könnte das Kind im Gehirn durch dieses eben gesprochene Wort mit der dazugehörigen Handlung verknüpfen? Aus dem Nein sagen und Bohren in der Steckdose? Für mich ist allein ein ausgesprochenes Nein aus der Entfernung ziemlich wirkungslos, da das Kind mit dem einzelnen Wort nichts anfangen und auch keine Zusammenhänge verknüpfen kann. Auch ist es absolut verständlich, dass das Kind diese Löcher erforschen möchte. In Bezug auf die Steckdose ist das Wort Nein nicht sinnvoll, da das Kind dadurch nicht eindeutig erkennen kann, dass es sich dort um eine wirkliche Gefahr handelt. Vertrauen wir dem Kind in dem Moment und geben klare Auskunft über die Gefährlichkeit wie z.B.: Wir gehen zum Kind und der Steckdose hin, legen unsere Handinnenfläche gegen die Steckdose und teilen dem Kind mit: „Das ist gefährlich, ich möchte das nicht.“ Das Kind könnte uns in dem Moment vielleicht verstehen durch die Gefahr, die wir mit unseren Augen, unserer Mimik und dem gesprochenen Wort vermitteln. Möglicherweise erreichen wir das Kind durch die Ich-Botschaften besser als nur über das Wort Nein?

Natürlich ist es sehr schwer für das Kind, ein Vorhaben, ein Ziel, welches es erforschen will, freiwillig aufzugeben. Es möchte die Löcher erkunden und tatsächlich kann es nur durch unsere ernst gemeinten Worte davon überzeugt werden, dass dies wirklich gefährlich ist. Meistens hören Kinder nur die ersten drei Worte. Sollte ich also versuchen wollen, alles zu erklären, könnte es passieren, dass das Kind nicht mehr so zuhört, wie wir es vielleicht wünschen.
Mir ist aufgefallen, dass Kinder eher reagieren, wenn ich ein Verbot, eine sogenannte rote Regel, mit einer Ich-Botschaft aussende. Es ist der Erwachsene der Angst hat, dass etwas passiert. Und wir in der Verantwortung handeln, dem Kind Klarheit zu vermitteln. Sollte ein Kind es trotzdem nochmals versuchen, kann ich die gleiche Mitteilung aussenden: „Ich möchte es nicht“ und vertraue dem Kind absolut, dass es dem Folge leisten kann. Sollte ich daran Zweifel haben, ob das Kind hören wird oder nicht, wird es wahrscheinlich durch meine Worte nicht berührt werden.

Eine andere Aussage bei etwas älteren Kindern (ca. 1-2 Jahre), um das Vertrauen zu vermitteln, welches wir dem Kind entgegenbringen, könnte sein: „Ich weiß, dass du weißt, dass das nicht geht. Du kannst wieder zurückkommen.“ Bisher konnte ich dadurch erreichen, dass die Kinder nicht mit den Fingern in die Steckdosen fassten. Um das Bedürfnis der Kinder, in Löchern zu bohren, zu stillen, habe ich in meinen Kursen eine Spülmatte zur Verfügung gestellt, damit sie ihrem inneren Wunsch nachgehen und diese erkunden können. Das Angebot nehmen sie auch gerne an.

Es gibt also Alternativen zum Wort Nein. Die persönlich gesprochene Mitteilung wird das Kind sicherlich eher erreichen als nur ein Nein.

Es gibt einige rote Regeln, die benutzt werden, wenn eine wirkliche Gefahr besteht.
Beim Thema Straße kann ich vorankündigen. „Ich möchte, dass du dort stehen bleibst und auf mich wartest“. Ein ab und an gesprochenes „Stopp“ veranlasst zum direkten Halt. Das Kind läuft meistens nicht weiter.
Ein zu häufig gehörtes Nein kann, je nachdem, wie es ausgesprochen wird, auch eine Angstreaktion auslösen. „Schon wieder war ich nicht gehorsam und artig.“ „Ich gefalle meinen Eltern gerade nicht.“

Ein zu häufig gehörtes Nein kann auch zu Trotzreaktionen führen, nicht nur beim Kind. Es kann beobachtet werden, dass unser Nein manchmal das erste, ausgesprochene Wort der Kinder ist. Sie schütteln den Kopf, wenn sie angesprochen werden und antworten auf vieles Nein. Das Verhalten drückt uns gegenüber dann wenig bis gar keine Kooperation aus und wir erwarten ja öfters von den Kindern, dass sie folgsam und kooperativ sind. Wir hören ein Nein aus dem Mund des Kindes und eigentlich hat es dieses Wort vom Erwachsenen gelernt. Kinder lernen die Sprache von uns und die emotionale Sprache durch uns. Wenn der Erwachsene stets Nein sagt, lernt das Kind das Wort Nein. Dieses Wort löst auch beim Erwachsenen gewisse Reaktionen aus; Trotz und vielleicht auch Ärger?

Es gibt also mehrere Möglichkeiten, dem Kind durch Worte klare Botschaften zu vermitteln, die bei niemandem irgendwelche negativen Reaktionen auslösen.

Claudia Goudemond
Bewegungspädagogin, PiklerPädagogin

Ein Artikel, der in der Elternzeitschrift „baby info“ veröffentlicht wurde (nr 3/2017)