Und? Schläft das Kleine denn schon durch?

Diese Frage kennen die meisten frischgebackenen Eltern und leider drückt sie eine Erwartungshaltung aus, die nicht sehr realistisch ist. Kaum ein anderes Thema wird so kontrovers diskutiert wie der kurze oder lange Schlaf von Babys und Kleinkindern. Eltern, die recherchieren, werden schnell merken, dass es sehr gegensätzliche Einstellungen bezüglich des Umgangs mit dem Schlafverhalten von Babys gibt. Das Thema füllt etliche Bücher und Ratgeber, es gibt so genannte spezielle „Schlaftrainingsprogramme“ für Babys und Kleinkinder, es gibt spezielle Sprechstunden für Babys mit Schlafproblemen, sowie eine Menge unterschiedlichster Utensilien auf dem Markt, die helfen sollen, dass Babys besser schlafen.

Dabei ist es zuerst einmal wichtig zu wissen warum Babys anders schlafen als Erwachsene, wie sie schlafen und wie Eltern lernen können gut damit umzugehen.

Was heißt eigentlich durchschlafen bei Neugeborenen?

Für ein Neugeborenes heißt durchschlafen nicht das, was wir Erwachsene normalerweise darunter verstehen, sondern: etwa 4-5 Stunden am Stück schlafen! Neugeborene schlafen zwar insgesamt etwa 15-18 Stunden am Tag, aber meist nur in kurzen Etappen von 20 – 40 Minuten – mit vielleicht einer längeren Schlafphase nachts von 3-4 Stunden.

Oft hört man von diesen so genannten „braven Babys“, die mit 5-6 Wochen schon 8, wenn nicht gar 10 Stunden am Stück schlafen! Wieso sollte das denn nicht jedes Kind schaffen? Weil diese Babys die Ausnahme sind. Babys sind nun mal nicht dafür geschaffen, solange ohne Unterbrechung zu schlafen!

Warum schlafen Neugeborene anders?

Neugeborene sind von der Natur so programmiert worden, dass sie oft aufwachen aus verschiedenen Gründen:

  • Die Nahrungsversorgung: der Magen eines Neugeborenen ist etwa so groß wie seine Faust: es ist also lebensnotwendig, dass das Baby sich mindestens alle2-3 Stunden meldet um seinen Hunger zu stillen. Muttermilch ist leicht und schnell verdaut, so dass Stillkinder 8-12 x in
    24 Stunden trinken.
  • Ein Schutzmechanismus vor dem „plötzlichen Kindstod“: In einigen SIDS (Sudden-Infant-Death-Syndrom)-Untersuchungen wurde festgestellt, dass eine der möglichen Ursachen dieses schrecklichen Phänomens, die noch unzureichende Fähigkeit des Säuglings ist, aus dem Schlaf zu erwachen. Unter Umständen können lange Tiefschlafphasen diese unzureichende Fähigkeit verschlimmern!
  • Das Gehirn: es wird durch die vielen Kurzschlafphasen besser stimuliert, indem es visuelle Bilder produziert, die seine Entwicklung fördern. Mit zunehmendem Alter erhält das Gehirn genügend Stimulation von außen und kann dann auf die inneren Reize während der REM-Phasen* verzichten.

Wie schlafen Neugeborene?

Babys haben deutlich kürzere Schlafzyklen als Erwachsene. Ein Schlafzyklus besteht aus einer REM- und einer NON-REM*-Schlafphase. Bei einem Erwachsenen dauert ein solcher Zyklus etwa 90 Minuten, bei einem Baby etwa die Hälfte der Zeit. Babys haben also deutlich mehr aktive Schlafphasen, mehr Übergangsphasen und kürzere Schlafzyklen. Das ist die logische Erklärung dafür, warum Babys so oft aufwachen, respektiv warum sie immer nur solch kurze Nickerchen machen.

Ihr Schlaf muss erst langsam reifen, das kann aber „einige“ Zeit – wenn nicht gar einige Jahre dauern!

Tag- und Nachtrhythmus

Anfangs machen die meisten Babys keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht. Das liegt daran, dass sie im Mutterleib mehr oder weniger in der Dunkelheit gelebt haben und dadurch diesen Unterschied nicht erleben konnten. Im Lauf der ersten Lebenswochen und Monate lernen sie jedoch nach und nach automatisch den Unterschied zwischen Tag und Nacht kennen.

Dabei können Eltern ihrem Baby auch ein wenig helfen: Sie können tagsüber für mehr Geräusche sorgen und nachts alles so ruhig und dunkel wie möglich gestalten.

Das Ferber – Schlaftrainingsprogramm

Funktionsweise:

Dr. Richard Ferber, ein Kinderarzt und Leiter des Kinderschlafzentrums in Boston hat Mitte der 80er Jahre ein Schlaftrainingsprogramm entwickelt, welches sich in Deutschland zehn Jahre später durch das Buch: „Jedes Kind kann schlafen lernen“ von Diplom-Psychologin Annette Kast-Zahn und Kinderarzt Dr. Hartmut Morgenroth, rasch verbreitet hat. Dieses Buch ist auch heute noch sehr beliebt und wird manchmal sogar als eine Art „Schlafbibel“ für Babys angepriesen.

Das angestrebte Ziel ist, dass Babys lernen sollen, alleine und ohne Einschlafhilfe in ihrem eigenen Bettchen in ihrem eigenen Zimmer einzuschlafen und nachts mindestens 11 Stunden durchzuschlafen.

Das Baby wird also zu einer festgesetzten Uhrzeit in wachem Zustand und ohne Einschlafhilfe in sein Bettchen gelegt. Wenn das Baby nun erwartungsgemäß protestiert, sollen die Eltern am ersten Tag beim ersten Mal mindestens 3 Minuten abwarten, bevor sie wieder ins Zimmer gehen. Nach 3 Minuten dürfen sie zu ihrem Baby gehen, um ihm zu zeigen, dass sie da sind, dürfen auch mit ihm reden, es beruhigen, dürfen es aber nicht auf dem Arm nehmen, respektiv aus seinem Bettchen heben. Nach 1-2 Minuten müssen sie dann wieder das Zimmer verlassen. Das nächste Mal sollen sie dann 5 Minuten abwarten, bevor sie wieder ins Zimmer gehen. Die Zeit in der das Baby schreien gelassen wird, wird jeweils um 2 Minuten erhöht, bis hin zu 10 Minuten am ersten Tag. Am zweiten Tag wird bereits mit einer Wartezeit von 5 Minuten begonnen, am dritten Tag mit 7 Minuten, wobei es dann auch am dritten Tag bleibt, genauso wie die maximale Zeit nie mehr als 10 Minuten beträgt.

Erfolgsaussichten und Auswirkungen

Das Problem der Ferber-Methode besteht darin, dass sie oft das gewünschte Resultat erzielt. Je nach Kind dauert es einige Tage bis hin zu einigen Wochen, bis es „gelernt“ hat, alleine ein- und durchzuschlafen. An dieser Stelle ist aber ernsthaft zu hinterfragen, ob es erstrebenswert ist, ein Baby so lange und so oft schreien zu lassen bis es gezwungen wird, aufzugeben? Laut Diplom-Psychologe Stephan Mayer: „…nur dann ist etwas Schlimmes passiert. Das Kind hat resigniert. Und Resignation ist ja nun wirklich keine Eigenschaft eines psychisch gesunden Menschen“.

Manchmal funktioniert diese Methode jedoch ganz und gar nicht! Auf der Internetseite www.ferbern.de kann man Erfahrungsberichte von Eltern nachlesen, die bezeugen, dass die Ferber-Methode bei ihren Kindern überhaupt nicht funktioniert hat und sogar ganz im Gegenteil zu schwerwiegenden negativen Folgen geführt hat! Manche Kinder haben sich so heftig gegen diese Methode gewehrt, dass die Eltern gezwungen waren, ihren Versuch abzubrechen und danach oftmals lange Zeit gebraucht haben, um wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und ihrem Kind aufzubauen!

Es besteht außerdem auch die Gefahr, dass manche Eltern die Methode noch früher anwenden als mit 6 Monaten! Im Buch befinden sich auch schon einige „Tipps“ für Babys ab 5 Wochen, wie zum Beispiel das Einführen von festen Abendmahlzeiten und das Hinauszögern der Morgenmahlzeit bis zu einer Stunde!

Dr. Ferber hatte sich bereits 1999 in einem Interview mit John Seabrook, welches am 8. November 1999 im „The New Yorker“ herausgegeben wurde, von seiner eigenen Methode distanziert und sogar zu manchen seiner Aussagen (zum Beispiel zu seinen ablehnenden Äußerungen über das Familienbett) bekannt hat, er würde sich wünschen das nie gesagt zu haben. In diesem Artikel stellt er öffentlich klar, dass seine Methode nicht für jede Familie geeignet ist und nicht dazu missbraucht werden sollte, das Schreien-Lassen von Kindern zu rechtfertigen!

Welche Möglichkeiten haben Eltern, auf die Bedürfnisse ihres Babys einzugehen und gleichzeitig selbst so viel Schlaf wie möglich zu bekommen?

Eine Möglichkeit, die auch heute noch sehr heftig diskutiert wird, ist sicherlich das Familienbett. Und dabei leuchtet es doch ein: man legt ein Baby zu den Eltern ins Bett und es schläft friedlich ein, eng an seine Mutter oder seinen Vater gekuschelt. Wenn es aufwacht, braucht es nur den Mund aufzumachen, seine Mutter zieht es etwas näher an sich heran, es bekommt die Brust, nuckelt bis sein Hunger wieder gestillt ist und schläft wieder friedlich weiter. Auch seine Mutter ist kaum wach geworden. Sie hat schon reagiert bevor ihr Baby richtig wach wurde, es im Halbschlaf angelegt und dann sofort weitergeschlafen. Denn interessanterweise passt sich der Schlaf einer stillenden Mutter an den Schlafrhythmus ihres Babys an! Genauso wie ihr Baby schläft sie weniger tief, wird leichter wach und schläft aber auch schneller wieder ein. Mütter die gemeinsam mit ihren Kindern schlafen, berichten fast alle ausnahmslos, dass sie mehr Schlaf bekommen und sich morgens ausgeruhter fühlen als Mütter, die getrennt von ihren Kindern schlafen. Und das alles ohne lautes Weinen des Babys, ohne aufzustehen, Licht anzumachen, in

ein anderes Zimmer zu gehen, das schreiende Baby zuerst einmal zu beruhigen und dann erst zu stillen. Danach gilt es das inzwischen wache Baby wieder zum Einschlafen in seinem eigenen (inzwischen kalten Bettchen) zu bringen, dann selbst wieder ins Bett gehen und – nicht sofort wieder einschlafen können. Nicht allzu lange danach, schreit das Baby vielleicht wieder und das ganze Szenario beginnt aufs Neue!

Eine gute Möglichkeit zum Co-Sleeping bieten die heutzutage im Handel angebotenen Beistellbettchen, die an einer Seite offen sind und an dieser Seite am Elternbett befestigt werden können.

Eine andere Alternative wäre die Einrichtung eines separaten Schlafzimmers für Mutter und Kind.

Wichtig ist, dass alle Beteiligten sich mit der gefundenen Lösung wohl fühlen und morgens erholt aufwachen!

Das „Familienbett“: Co-Sleeping und Co-Bedding

  • Das Familienbett, wie der Name es ja schon sagt ist normalerweise ein (hoffentlich recht großes) Ehebett, welches zum Familienbett umfunktioniert wurde, wo also Eltern und ein oder mehrere Kinder gemeinsam schlafen.
  • Co-Sleeping hingeben bedeutet, dass man in einem gemeinsamen Zimmer schläft. Co-Bedding jedoch bedeutet, dass mehrere Personen ein Bett teilen.
  • Das Schlafen im selben Zimmer wie die Eltern wird von Experten sogar während des gesamten ersten Lebensjahres empfohlen, ganz im Gegensatz zum Co-Bedding, welches immer noch kontrovers diskutiert wird.
  • Das gemeinsame Schlafen in einem Zimmer verringert laut verschiedener Untersuchungen das Auftreten des plötzlichen Kindstods bei. Das gemeinsame Schlafen trägt dazu bei, dass Babys weniger tief schlafen (wie schon erwähnt kann zu tiefes Schlafen sogar gefährlich sein), sie öfter und länger gestillt werden (was für eine gesunde, altersgerechte Entwicklung sorgt) und sie somit vor dem plötzlichen Kindstod geschützt sind.

Die offiziellen Empfehlungen der Initiative „Babyfreundliches Krankenhaus“, einer Initiative von WHO und UNICEF

Gemeinsames Schlafen im Familienbett ist für das Baby sicher, wenn auf folgende Punkte geachtet wird:

  • Sie und Ihr Kind schlafen am besten auf einer festen Matratze. Wasserbetten, alte ausgelegene Matratzen und Sofas dürfen nicht verwendet werden
  • Ihr Baby sollte in Rückenlage liegen
  • Schlafen Sie Ihrem Kind möglichst zugewandt
  • Ihrem Baby darf es nicht zu warm werden. Die ideale Raumtemperatur im Schlafzimmer beträgt 16 bis 18 °C
  • Ziehen Sie das Baby nicht zu dick an: es sollte nicht mehr Lagen Kleidung tragen als Sie selbst. Am besten benutzen Sie ein Schlafsäckchen für das Kind, damit Ihr Kind nicht unter Ihr Oberbett rutschen und sich überwärmen kann.

Allerdings sollten Sie nicht mit Ihrem Baby zusammen in einem Bett schlafen, wenn Sie (oder eine andere Person im Bett)

  • Raucher/in sind
  • Alkohol getrunken haben
  • Krank oder aus einem anderen Grund nicht in der Lage sind, auf das Baby zu reagieren
  • Drogen oder Medikamente genommen haben, die schläfrig machen.

 

Schlussfolgernd könnte man festhalten, dass Babys aus biologischen und physiologischen Gründen anders schlafen als Erwachsene. Sicherlich ist es für junge Eltern nicht einfach, sich umzustellen und zu akzeptieren, dass es mit der gewohnten ungestörten Nachtruhe für längere Zeit vorbei ist. Wenn man jedoch verstanden hat, warum Babys anders schlafen und warum das sogar gut für sie ist, kann man bestimmt besser damit umgehen.

Ute Rock
Laktationsberaterin IBCLC

Ein Artikel, der in der Elternzeitschrift „baby info“ veröffentlicht wurde (nr 1/2016)


*Als REM-Schlaf (engl. Rapid Eye Movement) wird eine Schlaf-phase bezeichnet, die unter anderem durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet ist. Weitere Merkmale sind ein niedriger Tonus der quergestreiften Muskulatur (Herz, Zwerchfell und Augenmuskeln bleiben ausgespart). Außerdem steigen während des REM-Schlafes Blutdruck und Puls an.