„Burnout“ der Eltern

Durch die aktuelle Pandemie wurde das Thema des „Burnouts der Eltern“ präsenter. Eltern sind umso mehr gefordert ihrer Arbeit nach zu gehen, ihre häuslichen Pflichten zu erfüllen, die Kindererziehung zu meistern und nun auch noch die Kinder bei ihren schulischen Leistungen zu begleiten. Alle Familienmitglieder erleben einen äußerst fordernden Wandel, welcher sich in regelmäßigen Konflikten äußern kann und worunter das harmonische Familienleben leiden kann.
Vor der Pandemie konnten sich die Eltern und Kinder noch einen Rückzugsort außerhalb der vier Wände suchen. Dies war durch den Lockdown (und den immer noch zum Teil bestehenden Lockdown) jedoch nicht mehr möglich. Viele Ressourcen vielen weg, der Druck stieg ständig an und viele Eltern mussten erleben was es heißt, wenn man auf einmal in seiner Elternrolle überfordert ist und die Empathie gegenüber seinen Kindern schwindet, da man selbst mit sich und der Situation überlastet ist.
Dieses Gefühl kommt dem Burnout nahe, den verschiedene Eltern erleben, und scheint ein angemessener Vergleich zu sein, um zu erahnen, was es bedeutet wenn man in seiner Elternrolle überfordert ist: man strebt ständig nach dem Wohlergehen seiner Kinder, findet jedoch keinen Ausgleich und bleibt dabei selbst auf der Strecke, bis man nicht mehr kann.

Was ist das “Burnout“ der Eltern?

Das Burnout der Eltern kann leicht mit Depressionen, postpartalen Depressionen oder dem allgemeinen Burnout verwechselt werden. Darum unterscheiden wir nun diese Begriffe, um dem Begriff Burnout der Eltern Klarheit zu verschaffen.

Depressionen können sich durch verschiedene Charakteristika zeigen wie ein Gefühl der Trauer, ein verändertes Schlafbedürfnis, Stimmungsschwankungen oder Reizbarkeit, einen veränderten Appetit, Hoffnungslosigkeit, Überforderung, den Erwartungen des Lebens und seinen Mitmenschen nicht gewachsen zu sein, Pessimismus usw. Man spricht von Depressionen, wenn dieser Zustand mehr als 6-8 Wochen anhält.

Postpartale Depressionen werden durch den Hormonwechsel zwischen Schwangerschaft und Entbindung hervorgerufen. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Babyblues, der eine physiologische Erscheinung ist, die auch mit dem Hormonwechsel zu tun hat und viele Mütter  4-5 Tagen nach der Entbindung erleben, der jedoch nach einigen Tagen von alleine wieder verschwindet. Postpartale Depressionen halten an und können sich zu Psychosen weiterentwickeln und sind deswegen ernst zu nehmen. Wenn Symptome wie Trauer, Gefühlslosigkeit gegenüber zum Kind, Hoffnungs-losigkeit, Reizbarkeit, Rückzug usw. länger als 6-8 Wochen anhalten und die Mutter solch ein Erleben vor der Geburt nicht hatte, spricht man von postpartalen Depressionen.

Burnout beschreibt einen Zustand, der durch langanhaltenden Stress auftritt und sich durch das Gefühl, dass man auf einmal nicht mehr kann, ausdrückt. Wenn die Forderungen nach Leistung lange anhalten und kein Ausgleich mehr gefunden werden kann, um sich von den Strapazen zu erholen, entwickelt sich ein Burnout. Die bekannteste Form ist wohl das Burnout von der Arbeit. Es gibt jedoch auch immer häufiger Studenten, die durch die hohen Anforderungen ihrer Ausbildung ein Burnout erleben. Hier wird offensichtlich, dass sich das Burnout in verschiedenen Kontexten entwickeln kann.  Alle Formen beinhalten gemeinsam einen langanhaltenden Stress, welcher nicht mit Ressourcen ausgeglichen werden kann. Ein Kriterium für die Entwicklung des Burnouts ist, dass es ein langer Prozess ist, der sich oft über Jahre erstreckt bei dem es durch die anhaltenden Forderungen und Leistungen auf einmal der Zusammenbruch kommt.

Das Burnout der Eltern entwickelt sich durch die hohen Anforderungen, die die Elternrolle mit sich bringen. Diese Anforderungen können so intensiv sein, dass Eltern auf einmal keinen Ausgleich mehr finden können. Wenn dieser Zustand über längere Zeit anhält, kann sich ein Burnout entwickeln. Symptome sind vor allem: das Gefühl seiner Elternrolle nicht mehr gewachsen zu sein, das Familienleben als Qual zu erleben, keine Kraft mehr zu haben den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, Gefühlslosigkeit oder sogar Aggressionen gegenüber seinen Kindern zu empfinden, keine Freude in geselligen Familienmomenten zu erleben, seinen häuslichen Pflichten nicht mehr nachzukommen, Spannungen in der Beziehung zum Lebenspartner, usw. Wenn diese Zustände längere Zeit anhalten, kann es zum Zusammenbruch des betroffenen Elternteils kommen.

Es handelt sich um einen Prozess, der sich über Monate oder sogar Jahre ziehen kann, oft schleichend verläuft und auf Dauer krank macht.

Wann besteht das Risiko ein elterliches Burnout zu entwickeln?

Verstärkende Faktoren, die zu einem Burnout der Eltern führen können, sind jedes Mal individuell abzuklären. Nichtsdestotrotz sind die folgenden Risikofaktoren laut wissenschaftlicher Studien von I. Roskam und M. Mikolajzak jene, die allgemein am häufigsten das Burnout begünstigen.

Es gibt 5 Gruppen von Risikofaktoren wobei nur 3 Gruppen, statistisch gesehen, relevant für die Entwicklung des Syndroms sind. Die beiden ersten Gruppen haben erstaunlicherweise nur einen ganz geringen Einfluss auf die Entstehung davon.

Unter die erste Gruppe der Risikofaktoren fällt die Lebenssituation des Elternteils, zum Beispiel keine Zeit für sich zu finden, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen zu haben usw.

Zur zweiten Gruppe gehören soziodemographische Faktoren wie das Einkommen, der soziale Status, die Arbeit, Studien usw.

Die kommenden drei Gruppen von Risikofaktoren sind relevant für die Entwicklung des elterlichen Burnoutsyndroms. Hierzu zählen:

die persönlichen Faktoren: Fähigkeit / Schwierigkeit seine Emotionen auszudrücken oder zu regulieren, Perfektionismus, neurotische Persönlichkeit und ein unsicherer Bindungsstil.
die familiären Faktoren: ein desorganisiertes Familienleben, Unzufriedenheit in der Beziehung zum Lebenspartner und eine negativ erlebte Co-Elternschaft.
die elterlichen Faktoren, die mit Abstand am relevantesten sind bei der Entwicklung des Burnouts. Hierzu zählt das Gefühl keine guten Eltern zu sein, Einschränkungen in der Elternrolle zu haben und eine mangelnde Warmherzigkeit (Empathie) in der Erziehung der Kinder.

Wie kann man das Burnout der Eltern verstehen?

Das Burnout versteht man als einen Prozess. Wie bereits erwähnt, entwickelt sich dieser über Monate und teilweise sogar Jahre. Hier eine Abbildung dieser Entwicklung mit Einteilung der verschiedenen Stadien

Auf der Abbildung kann man erkennen, dass sich die anfänglichen Faktoren im grünen Bereich befinden. Dies bedeutet, auch wenn diese Faktoren präsent sind, dass der Elternteil mit angemessenen Ressourcen diesen Zustand ohne Bedenken aufrechterhalten kann. Bedenklich wird es erst ab dem Moment, wo sich der Elternteil im orangen Teil befindet, sprich wenn ein spürbarer Energieverlust auftritt und die Müdigkeit überhandnimmt, im Gegenzug aber nicht ausreichend Ressourcen vorhanden sind, um dies auszugleichen. Wenn dies längere Zeit anhält oder sich die Situation noch weiter in den roten Teil zuspitzt, spricht man vom Burnout der Eltern. Der rote Pfeil stellt die Zeit dar und zeigt, warum wir von einem Prozess sprechen, da der Faktor Zeit eine erhebliche Rolle spielt. Wenn solche Zustände punktuell vorkommen und die Eltern angemessene Ressourcen haben und sich somit aus dieser Spiral befreien können, werden sie kein Burnout entwickeln.

Konsequenzen des Burnouts der Eltern

Die Auswirkungen des Burnouts auf das Familienleben sind vielfältig und betreffen jedes einzelne Familienmitglied. Der Elternteil, der sich im Burnout befindet, leidet erheblich unter diesem Zustand. Hinzu kommt, dass er sich Vorwürfe macht, dass er sich nicht so um seine Kinder kümmern kann, wie er es eigentlich gerne möchte. Oft kommt es vor, dass er negative Gefühle gegenüber seinem Kind entwickelt. Dies wiederum erklärt, warum auch die Kinder unter dem Burnout des Elternteils leiden. Der Elternteil kann nicht präsent sein, ist wenig oder gar nicht mehr einfühlsam, empfindet keine Freude mit seinem Kind, ist ungeduldig oder sogar aggressiv. Der Lebenspartner ist auch stark vom Burnout betroffen. Es kann sein, dass sich Spannungen und Konflikte zwischen den Partnern entwickeln, der Partner immer mehr Aufgaben übernehmen muss, bis auch er immer erschöpfter wird, oder der Partner nicht präsent ist und sich zurückzieht. In den schlimmsten Fällen droht ein Zerbrechen der Partnerschaft an diesen fordernden Umständen. Eine andere Gefahr, die durch das Burnout des Elternteils droht ist, dass die Kinder Opfer von Vernachlässigung, psychischer oder körperlicher Gewalt werden.

Wie kann man dem Burnout entgegenwirken?

Wichtig ist, ein Gleichgewicht zwischen den sogenannten Stressfaktoren und den Ressourcen herzustellen. Der erste Ansatz ist, dass der betroffene Elternteil seine Situation analysiert und herausfindet, welche Faktoren energieraubend und stressig für ihn sind, und welche ihm helfen abzuschalten und neue Energie zu tanken. Der zweite Schritt besteht darin, festzustellen, ob diese Faktoren veränderbar oder kontrollierbar sind. Ein zweiter Ansatz besteht darin, abzuwägen, wie das Verhältnis zwischen Einsatz und Gewinn ist. Fragen können auch Klarheit schaffen: Gibt es vielleicht einen Domino-Effekt? Gibt es Gründe weshalb der Elternteil sensibler ist? Diese Analyse bietet bereits erste Lösungswege.

Die zweite Phase beinhaltet, dass der Elternteil aktiv wird, um Lösungen zu finden und seine Faktoren umgestaltet. Hierfür gibt es 6 Ansätze:

  • Unnötigen Stress entfernen
  • Stressfaktoren erleichtern
  • Die vorhandenen Ressourcen effizienter nutzen
  • Ressourcen entwickeln
  • Aktive Akzeptanz der Stressfaktoren, die nicht verändert werden können
  • Aktive Akzeptanz der nicht vorhandenen Ressourcen
  • Auf jeden Fall ist es wichtig, dass der Elternteil sich professionelle Hilfe sucht, sobald ein Leidensdruck vorhanden ist.

Nach Hilfe suchen

Für viele Eltern ist es sehr schwer, nach Hilfe zu fragen. Sie haben Angst, verurteilt zu werden und als schlechte Eltern abgestempelt zu werden. Es ist in unserer Gesellschaft ein Tabuthema, dass Eltern negative Gedanken gegenüber ihrem Kind haben, aggressiv sind, sich wünschen nie ein Kind bekommen zu haben usw. Dies sagt jedoch nichts über die Eltern an sich aus, sondern ist nur Ausdruck der chronischen Überlastung.

In den Medien wird Elternsein als die schönste Sache im Leben dargestellt, mit glücklichen Eltern und zufriedenen Kindern. Dies ist jedoch in vielen Familien nicht der Fall.

Es ist wichtig, dass die Eltern sich in ihrer Situation nicht alleine fühlen, sich nicht als schlecht oder unfähig sehen, auch nicht, dass sie damit alleine klarkommen müssen.

Auf jeden Fall ist es wichtig, dass sich Eltern trauen, professionelle Hilfe zu suchen. Es gibt immer einen Ausweg, auch wenn man ihn selbst noch nicht sehen kann.

Schlusswort

Durch die sanitäre Krise und ihre Auswirkungen sind die Eltern momentan zusätzlich gefordert und belastet und haben somit ein höheres Risiko in eine chronische Überforderung hineinzuschlittern. Deswegen ist es wichtig, über das Thema vom Burnout der Eltern zu reden, damit die Eltern aufgeklärt sind und vielleicht bei sich selbst einen Hilfebedarf erkennen. Sie sollten nicht aus Scham abgeschreckt sein, nach Hilfe zu fragen, da es um ihr persönliches Wohlergehen und vor allem um das ihrer Kinder geht.

Nach Hilfe fragen, wenn man sie braucht, ist eher ein Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche.

Méline Heuer,
Sozialpädagogin, Mitarbeiterin bei der Initiativ Liewensufank im Bereich FabyPLUS

Artikel aus unserer Elternzeitschrift „baby info“ 01/2021

 


 

Source: Roskam I., Mikolajcak M. (2018). Le burn-out parental, comprendre, diagnostiquer et prendre en charge. (deboeck supérieur).
Louvain-la-neuve : carrefour des psychothérapie.

Training Institute for Parental Burnout
Route de Gembloux 72
B-5310 Eghezee, Belgique

www.parental-burnout-training.com

Buchtipps zum Thema
Eltern-Brunout – Wege aus dem Familienstress, Bettina Möhler, Peter Nusall, Rororo
Wege aus dem Mama-Burnout – Abstand gewinnen und neue Kraft tanken, Hans Hartmann, Kösel
Le burn-out parental, Isabelle Roskam et Moïra Mikoljcak, carrefour des psychotherapies, deboeck université
La fatigue émotionnelle et physique des mères, Voilaine Guéritault, Odile Jacob poches
Le burn out parental – 100 questions/réponses, Elise Lecomet, Corinne Melot, Ellipses
Parents épuisés, Valérie Duband, Eyrolles

Hier ein paar Adressen, wo Eltern in Luxemburg eine professionelle und wohlwollende Hilfe bekommen:
Initiativ Liewensufank, liewensufank.lu, Service FabyPLUS, 36 05 97 17, Baby Hotline, 36 05 98
Familljen – Center, familljencenter.lu, 47 45 44
Office national de l‘enfance, officenationalenfance.lu, 24 77 36 96
Elterentelefon, kjt.lu, 26 64 05 55
Ligue médico-social, ligue.lu, 22 00 99 88
CFFM, fed.lu, 49 00 51 1
Eltereschoul, kannerschlass.lu, 59 59 59 59
Mamerhaff, mamerhaff.lu, 691 539 193

Video von QUARKS (WDR): „Darum ist es wichtig, dass es Eltern gut geht“:
Die Elternrolle kann zum Burnout führen, nicht nur der Beruf: https://fb.watch/dD-4QDzrJT/