Unsere Spontangeburt aus der Beckenendlage

Als ich im Mai 2016 den positiven Schwangerschaftstest in den Händen gehalten habe, war für uns direkt klar, dass unser Kind in einer natürlichen und selbstbestimmten Geburt auf die Welt kommen soll.

In der 12. SSW haben wir uns dann im Geburtshaus in Saarburg angemeldet und uns dort von Anfang an wohl und gut betreut gefühlt. Die Schwangerschaft verlief ohne jegliche Beschwerden oder Komplikationen und so habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet, dass etwas nicht so laufen könnte wie geplant.

In der 31. SSW wurde dann festgestellt, dass unsere Tochter sich in die Beckenendlage gedreht hatte. Ich hatte zwar eine Vorderwandplazenta, dennoch war genug Platz und Fruchtwasser vorhanden, dass die Kleine sich noch einmal zurück in die Scheitellage drehen konnte. Wir wollten sie ein wenig dabei unterstützen und vereinbarten einen Termin mit der Hebamme. Diese plante,  unsere Tochter mittels Akupressur an meinem kleinen Zeh durch eine Moxazigarre zum Drehen zu bewegen. Um ihr die Drehung zu erleichtern, musste ich nach der Behandlung 20 Minuten mit hochgelagertem Becken liegen bleiben. Die Kleine war sehr lebhaft im Bauch, schaffte aber meist die endgültige Drehung nicht, bzw. drehte sich immer wieder in die BEL zurück. Als dann 4 Wochen vor dem errechneten Termin erstmal das Wort „Kaiserschnitt“ fiel, hatte ich mich gedanklich schon von der Geburt im Geburtshaus verabschiedet. Fest stand jedoch, dass ich eine Spontangeburt versuchen wollte. Ich hatte viel recherchiert und gelesen, und hatte gemeinsam mit meinem Mann die Entscheidung getroffen, dass wir es zumindest versuchen wollten. Mein Gynäkologe war davon nicht sehr begeistert und klärte mich auf, dass gerade beim 1. Kind ein großes Risiko bestünde. Trotzdem stellte er mir die Einweisung für ein Krankenhaus unserer Wahl aus und ich konnte dort einen Termin zur Geburtsplanung vereinbaren. In unserer Region Trier gibt es nur das Krankenhaus in Wittlich, das Erstgebärende beim Wunsch nach einer Spontangeburt unterstützt. Mit dem Chefarzt dort hatte ich einige Jahre im OP zusammengearbeitet und vertraute ihm zu 100%. Zwei Wochen vor dem errechneten Termin haben wir uns dann dort vorgestellt und der Chefarzt nahm sich sehr viel Zeit, um uns aufzuklären und all unsere Fragen zu beantworten. Wir bekamen erklärt, dass bei Komplikationen unter der Geburt die Indikation für den Kaiserschnitt schneller gestellt würde als sonst. Und auch eine Einleitung, falls notwendig, relativ nah am errechneten Termin erfolgen würde. Denn gerade beim ersten Kind sollte das Geburtsgewicht die 3500 Gramm nicht überschreiten. Da mit diesem Gespräch eine gute Vertrauensbasis geschaffen wurde, war ich immer mehr überzeugt davon, dass wir eine natürliche Geburt erleben würden. Drei Tage vor dem errechneten Termin wurde dann festgestellt, dass ich nur noch sehr wenig Fruchtwasser hatte und die Geburt bald beginnen sollte.

Zwei Tage später habe ich mich dann nochmal beim Chefarzt vorgestellt, der daraufhin entschied, dass die Geburt noch am gleichen Abend eingeleitet werden soll. Die geringe Fruchtwassermenge war der Hauptgrund, zudem wurde das Gewicht unserer Tochter auf 3.400 Gramm geschätzt (dies war dann auch das tatsächliche Geburtsgewicht) und der errechnete Termin war ja auch am nächsten Tag erreicht. Jetzt kam so langsam die Aufregung hoch, ich war jedoch immer noch voller Vertrauen in mich und meinen Körper. Um 20 Uhr war es dann soweit… Die Geburt wurde mittels Misodel Tampon eingeleitet und das Warten begann. Man hat mir allerdings wenig Hoffnung auf einen schnellen Beginn der Wehen gemacht, da sich eingeleitete Geburten über mehrere Tage erstrecken können. Mein Mann ist dann bei Schnee und Glatteis nach Hause gefahren und ich habe versucht, zu schlafen. Dies ist mir nicht gelungen, da ich starken Druck im Bauch verspürte und deswegen nicht zur Ruhe gekommen bin.

Gegen 3 Uhr bin ich dann in den Kreißsaal gegangen, da ich zunehmend Schmerzen im Rücken und eine innere Unruhe verspürt habe. Nach dem CTG schickte die Hebamme mich wieder zurück auf die Station und ich bekam ein Wärmekissen, das die Rückenschmerzen lindern sollte. Heute weiß ich, dass das bereits der Beginn der ersten Wehen war. Gegen 5 Uhr ist mir dann die Fruchtblase geplatzt und auf der Toilette ging der Schleimpfropf ab. Die Rückenschmerzen waren immer noch vorhanden, aber sehr erträglich. Im Kreißsaal wurde dann wieder ein CTG geschrieben, auf dem die Wehen allerdings nicht sichtbar waren. Während des CTG wurden die Wehen auf einmal stärker und ich wollte aufstehen und mich bewegen. Da gerade Schichtwechsel war, dauerte es aber eine gefühlte Ewigkeit, bis jemand kam und mich vom CTG befreite. Ich wurde dann nochmal auf die Station zurückgeschickt und bekam von der Hebamme den Rat, meinen Mann noch nicht zu informieren, weil es beim ersten Kind sowieso noch dauern würde. Mein Gefühl sagte mir allerdings etwas anderes und ich habe meinen Mann gebeten, sich auf den Weg zu machen. Durch die winterlichen Straßenverhältnisse und den Berufsverkehr war er allerdings erst gegen 8 Uhr bei mir. Vor seiner Ankunft wurden die Wehen plötzlich sehr intensiv und kamen in 2-minütlichen Abständen. Ich war alleine in meinem Zimmer, mir war übel und schwindelig. Da ich immer noch die Worte „das dauert“ im Ohr hatte, habe ich mich auch nicht getraut, nach der Schwester zu klingeln. Als mein Mann dann endlich da war, konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten und er hat mich dann im Rollstuhl in den Kreißsaal gebracht. Die diensthabende Hebamme begrüßte mich mit den Worten: Bei den eingeleiteten Wehen sind die Schmerzen oft sehr stark, am Befund ändert sich aber lange nichts. Aber wir schauen mal…“

Dann die Überraschung, der Muttermund war bereits 7cm eröffnet, die Wehen waren nur im Rücken zu spüren und deswegen nicht auf dem CTG sichtbar. Ich bekam eine Infusion mit einem Schmerzmittel, habe allerdings keine Wirkung verspürt. Eine halbe Stunde später war der Muttermund vollständig eröffnet und der Druck nach unten kaum noch auszuhalten. Der Chefarzt kam sofort und ich fühlte mich sehr gut aufgehoben. Ich durfte nun aktiv im Vierfüßlerstand mitpressen. Diese Position war für uns aber nicht die Richtige und so musste ich mich auf den Rücken legen und die Beine in die Beinschalen. Während der Wehen fielen die Herztöne unsere Tochter immer auf 80 Schläge ab. Da sich der Herzschlag jedoch nach der Wehe immer wieder erholt hat und auch der Chefarzt ganz ruhig blieb, war ich weiterhin der festen Überzeugung, dass alles gutgehen wird. An die letzte Phase der Geburt habe ich nicht mehr viele Erinnerungen, aber ich weiß noch, dass mir die Hebamme immer wieder mit einem warmen Lappen das abgesetzte Mekonium unserer Tochter weggewischt hat. Das empfinde ich im Nachhinein als sehr würdevoll.

Da unsere Tochter jetzt aufgrund der ständig abfallenden Herztöne schnellstmöglich geboren werden sollte, entschied sich der Chefarzt, einen Dammschnitt durchzuführen und der Oberarzt drückte während der Wehe mit dem Kristeller-Handgriff auf den Bauch und unterstützte mich so beim Pressen. Dieser Handgriff war für mich, anders wie oft beschrieben, überhaupt nicht schmerzhaft und brutal, sondern eine wichtige und gute Unterstützung.

Dann ging alles sehr schnell… Der Po wurde geboren, dann direkt die Beine. In der nächsten Wehe wurden der Rumpf und der Kopf geboren. Es war 09:47 Uhr und die Welt stand einen Augenblick lang still. Wir hatten es geschafft… Unsere Tochter war in einer natürlichen und teilweise sogar selbstbestimmten Geburt zur Welt gekommen. Die Nabelschnur wurde auf unseren Wunsch hin auspulsieren gelassen und danach untersuchte die Kinderärztin kurz unsere Kleine. Sie hatte die Geburt gut überstanden und war gesund. Eine junge Ärztin hat dann meinen Dammschnitt genäht und mein Mann und ich durften mit unserer Tochter kuscheln. Wir sind noch am selben Abend nach Hause gegangen, da es der Kleinen und mir sehr gut ging. Wenn die Vorraussetzungen gegeben sind (der Po des Kindes liegt unten, die Beine sind nach oben geklappt und der Kopfdurchmesser ist ähnlich groß wie der Durchmesser des Rumpfes), würde ich immer wieder eine Spontangeburt anstreben. Das Wichtigste hierbei ist, dass man auf sich, seinen Körper, aber auch auf die Erfahrung der Geburtshelfer vertraut.

Artikel aus unserer Elternzeitschrift „baby info“ 01/2019


Kleines Geburts-Glossar

Vorderwandplazenta – Plazenta an der vorderen Bauchwand

Akupressur durch die Moxazigarre – Getrockneter, glimmender Beifuss wird hierbei eingesetzt. Dieser soll durch die Stimulation bestimmter Punkte und Meridiane die Gebärmuttermuskulatur anregen und das Kind somit auf sanfte Art und Weise animieren, sich in die Schädellage zu drehen.

Misodel Tampon – ein flacher Tampon, der in die Scheide eingelegt wird; der vordere Teil enthält den Wirkstoff Prostaglandin; dieser soll den Muttermund weicher machen und so die Geburt einleiten.

Vierfüßlerstand – in dieser Position haben nur die Knie, Schienbeine, Füße und Hände Bodenkontakt. Man stützt sich mit beiden Händen auf dem Boden ab und verteilt sein Körpergewicht somit gleichmässig auf diese vier Punkte.

Mekonium – der erste Stuhlgang eines Neugeborenen; er ist dunkel, geruchslos und zähflüssig und wird oftmals als Kindspech bezeichnet.

Kristeller Handgrif – während der Wehen wird durch einen Geburtshelfer von außen Druck auf den oberen Teil der Gebärmutter ausgeübt; dadurch soll die Austreibung des Kindes unterstützt werden. Sachgemäß ausgeführt, ist diese Hilfestellung unter der Geburt nicht schmerzhaft.